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Ein Aufschrei schallt durch unsere schöne Tattoo Industrie: „Tattoo Farben retten!“
Diesen Mittwoch, den 15.01.2020 geht es los mit einer deutschlandweiten Petition gegen die Erlassung einer Chemikalienverordnung auf europäischer Ebene, die unter anderem Pigmente beschränkt, die in ca. 60 % aller derzeit erhältlichen Tattoofarben vorkommen.[1] Ein faktisches Tattoo Farben Verbot und ein echtes Problem für die Branche!
Verdammte Axt, kann sich da wohl so ziemlich jedes Mitglied der Tattoo Branche, sei es Tätowierer, Tattoo.Sammler oder Tattoo Supplier, nachvollziehbar denken. Und so fühlt sich die Stimmung der Debatte auch gerade an. Es muss etwas passieren. Es wird etwas passieren. Die Frage ist nur, ob das Richtige getan wird.

Tattoo Farben – gefährlich oder nicht?
Natürlich… wahrscheinlich, vielleicht, bestimmt, eigentlich eher nicht. Man weiß es einfach noch nicht mit Sicherheit. Was man weiß ist, dass es regelmäßig Vorfälle von kurzfristigen oder langfristigen Reaktionen gibt. Was man aber auch weiß ist, dass gerade in dieser Hochphase der Tattoos, die Leute nicht reihenweise Probleme mit ihren Tattoos haben, sondern Komplikationen nur einen ganz geringen Teil ausmachen. Das Problem bei Tattoos ist vor allem auch das langfristige Zusammenspiel mit anderen Körperfunktionen, Medikamenten und Eindringlingen, was es schwierig macht, gesundheitliche Probleme genau einem Tattoo zuzuordnen. Tattoofarbe bleibt an Ort und Stelle in der Haut eingeschlossen und wird mit der Zeit vom Körper abtransportiert. Dabei kann es dazu kommen, dass sich Pigmente in den Lymphknoten und Organen absetzen. Ein Fremdkörper, natürlich, aber es gibt zahlreiche Beispiele von Fremdkörpern, die uns eingesetzt werden und aufgrund ihrer Materialbeschaffenheit keinerlei Komplikationen auslösen, wie Implantate, künstliche Gelenke, Herzschrittmacher, etc. Die Frage ist bei Tattoofarben also nur, ob man ihre Bestandteile bedenkenlos im Körper positionieren kann oder einige von ihnen zu riskant sind, weil gewisse Reaktionen erwiesenermaßen mit relativ großer Wahrscheinlichkeit auftreten.

Was hat die Politik vor? Dasselbe wie wir alle!
Genau diesem Thema hat sich die ECHA, European Chemicals Agency, vor einigen Jahren angenommen, einige Tattoo und Permanent Makeup Farben untersucht und Regelungsentwürfe vorgelegt. Ihr Ziel ist es, Tätowierfarben für die Allgemeinheit sicherer zu machen und medizinischen Problemen durch ein Verbot gewisser Inhaltsstoffe vorzubeugen.
Erstmal ein sehr löbliches Ziel und in der Form, denken wir, von uns allen gemeinschaftlich zu begrüßen und unterstützen. Schließlich wollen wir alle einen professionellen Standard für unsere Branche, qualitativ hochwertige, sichere Tattoos und lange und glücklich mit unseren Liebsten auf diesem Planeten verweilen. Unsere Liebe zur persönlichen Entfaltung durch künstlerische Ausdrucksformen sollte nicht blind vor Konsequenzen machen. Also haben wir eigentlich alle die unbestreitbare Pflicht, dafür zu sorgen, dass das Produkt Tattoo möglichst sicher wird. Derselbe Beweggrund wie die ECHA. Und so steckt der Teufel wohl bekanntlich wieder in der Umsetzung.
Die größte Langzeitstudie gesundheitlicher Komplikationen, betreibt die Tattoo Branche selbst!
Ein schlichtes Verbot von 60% aller Tattoofarben ist einfach falsch! Hauptsächlich geht es dabei um die derzeit meistgenutzten blau und grün Pigmente, die zum Mischen vieler weiterer Farben benötigt werden. Dabei werden diese Pigmente von der Tattooindustrie nach jahrelanger Benutzung in der Praxis als hochwertigste und sicherste Variante gesehen. Trotzdem will die Politik sie verbieten? Das kommt daher, dass Tattoos in die Kategorie der kosmetischen Behandlung fallen und diese Kategorie einige festgelegte Kriterien und Testverfahren sowie eine Liste bereits verbotener Stoffe mit sich bringt. Dass Tattoos keine kosmetische Behandlung im eigentlichen Sinne sind und ihre Regeln nicht einfach eins zu eins auf Tattoos übertragbar sind, darüber sind wir uns wohl alle einig. Tattoos sind der Sonderfall, der sie nunmal sind und gehören mit eigenen Regelungen, Verfahren und Gesetzen versehen, die mit Hingabe in der Realität zusammen mit Praktizierenden getestet werden müssen, um das maximale Gesamtwohl aller zu gewährleisten. Und die größte Langzeitstudie gesundheitlicher Komplikationen, motiviert von ökonomischen genau wie idealistischen Gründen, betreibt derzeit die Tattoo Branche selbst mit all ihren Produzenten, Anwendern und Konsumenten. Produzenten haben selbst die höchsten Qualitätsansprüche an ihre Produkte, weil sie sonst kein Geschäft machen können und Tätowierer testen die Produkte sogar meist großflächig an sich selbst und sind dadurch Teil der größten derzeit laufenden Langzeitstudie. Die Forschung und Politik beschäftigen sich erst seit Kurzem mit der Branche und wissen leider noch nicht genau, wie sie mit diesem Produkt umgehen sollen. Tattoos wurden durch den großen Boom der letzten Jahre zum ersten Mal in den Fokus ihrer Aufmerksamkeit gerückt. Was gut ist! Aber eben noch ein wenig unausgereift.
Außerdem ist ein Verbot eine sehr drastische Maßnahme und eine extreme Beschränkung der persönlichen Freiheit. Es gibt viele Produkte, die nachgewiesenermaßen tatsächlich gesundheitsschädlich sind – man denke nur an Zigaretten, Alkohol und Zucker – und trotzdem frei verkäuflich sind. Es unterliegt am Ende dem einzelnen Konsumenten, die für sich richtige Entscheidung zu treffen. Der Staat kann nur aufklären, mit Forschung unterstützen und die Rahmenbedingungen setzen für eine gesicherte Qualität bei der Herstellung. Es sollte nicht seine Rolle sein, einen unzureichend geklärten Sachverhalt, mit einem Verbot aus dem Verkehr zu ziehen.
Drüber hinaus ist das größte Risiko eines solchen Verbotes, eine Branche, die darauf erbaut wurde, sich nicht an Regeln zu halten und zum ersten Mal in ihrer Geschichte auf bestem Wege ist, sich in eine professionelle Industrie mit einheitlichen Qualitätsstandards und Regelwerken zu entwickeln, wieder zurück in den Schwarzmarkt zu verbannen. Denn wenn 60% der aktuellen Farben nicht mehr benutzt werden dürfen, dann wird es Leute geben, die sie sich illegal beschaffen und einfach trotzdem benutzen, solche, die sich andere, voraussichtlich schlechtere Farben mit anderer Zusammensetzung beschaffen und Leute, die sich einfach selbst wieder ihre Farben mischen, so wie damals schon. Will man das als Kunde? Und entspricht es der Motivation der Politik, Tätowierfarben für die Allgemeinheit sicherer zu machen und medizinischen Komplikationen vorzubeugen? Wir glauben nicht. Und genau dafür gibt es die folgende Petition:

Petition „Tattoo Farben Retten“ startet am Mittwoch, den 15.01. und muss in einem Monat 50.000 Stimmen einwerben.
Dann wird das Thema im Bundestag noch einmal zur Diskussion auf den Tisch kommen. Und das ist wohl das, was wir alle jetzt am meisten brauchen: Diskurs! Ein offener, gemeinschaftlicher Austausch ohne Vorurteile und unzureichende Informationsstände, der es sich zum Ziel macht, die Probleme ganz klar zu umreißen, hinterfragen und erforschen, und realistische Lösungen für ein größtmögliches Gesamtwohl anstrebt. Denn was wohl allen klar ist, ist, dass in der Vergangenheit zu wenig nachgedacht und gesprochen wurde. Früher war es eine kleine Szene und jeder konnte gut mit den Konsequenzen seiner Taten leben. Heute jedoch hat sich diese Szene zu einer Industrie entwickelt. Das kann man gut oder schlecht finden, es befreit jedoch nicht von der Verantwortung des Einzelnen sich darum zu kümmern, faire Regeln für alle Industrieteilnehmer einzuführen und sich für Information und Aufklärung einzusetzen.
Und so sollte, unserer Meinung nach, als wichtigste Konsequenz aus der Situation gezogen werden, dass wir als Branche noch enger zusammenrücken müssen. Nur so kann die ungewisse Zukunft aktiv gestaltet und mit den richtigen Regelungen versehen werden. Ja, die Branche ist explodiert und hat sich selbst überschlagen. Das bringt sicherlich auch negative Seiten mit sich, die dazu verleiten, zu sagen, früher war alles besser. Aber wir haben nur die Chance in der Gegenwart die richtigen Entscheidungen zu treffen, um die bestmögliche Zukunft für alle zu gewährleisten. Und das ist auch das unglaublich Schöne, das wir aus dieser verheerenden Situation ziehen können. Dass alle geschlossen einstehen können für ihre Sache. Dass es Unternehmen, Institutionen und Vereine in dieser Branche gibt, die nicht tatenlos zusehen, sondern aufstehen und sich einsetzen, sich organisieren, eine Petition auf die Beine stellen und alle an einen Tisch bringen. So vereint stand die Tattoo Industrie noch nie da und wir haben jetzt die Chance die Dinge in die richtige Richtung zu lenken.
Unterschreibt die Petition am Mittwoch, macht ordentlich Lärm auf Social Media und sagt möglichst vielen Leuten Bescheid, damit die Reise nicht hier aufhört, sondern weitergeht. Damit wir die Chance haben, die richtigen Regeln einzuführen und die richtigen Qualitätsstandards für unsere super einzigartige, in keine Schublade zu steckenden Tattoobranche zu etablieren!
Teilen, teilen, teilen! Und mitmachen!
https://tattoofarben.info/de
Hier findet ihr die offiziellen Content Pieces, die ihr gerne überall verbreiten dürft:






Quellen:
Tattookulture Magazine Ausgabe No. 36 Januar/Februar 2020 S. 86 & S. 88 f.
https://tattoofarben.info/de
https://feelfarbig.com/news/warum-es-bald-keine-blauen-und-gruenen-tattoos-mehr-gibt/
https://coalitionfortattoosafety.org
https://www.schreiverlab.com/research/
BMXnet Konferenz 2019, Vortrag von Dr. Ines Schreiver, Vortrag von Michael Dirks
[1] Tattoofarbenretten.info