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Viele Bundesländer schreiten mit ihren Lockerungsmaßnahmen voran und ermöglichen es Tattoostudios wieder zu öffnen. Doch wie können wir sicheres Arbeiten im Tattoostudio in Corona-Zeiten für unsere Kundinnen und Kunden und uns als Tätowierer*innen gewährleisten?
Laut TRBA 250 Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege war das Tragen eines Mundschutzes für uns Tätowierer*innen schon immer verpflichtend. Dies wurde jedoch von den meisten Gesundheitsämtern nicht kontrolliert, beziehungsweise durchgesetzt, weshalb diese Regel vielen nicht bekannt ist. Unser Fokus lag bisher auf der Vermeidung von blutübertragbaren Infektionen. Das ändert sich durch die globale Pandemie mit dem Corona-Virus als Auslöser.
Wie überträgt sich das Corona-Virus nach heutigem Wissensstand?
Coronaviren sind, sofern sie einen Menschen besiedelt haben, in den Atemwegen ansässig und somit luftübertragbar. Man spricht hier von aerogener Übertragung, da das Virus über Tropfen, die beim Sprechen, Husten und Niesen den Mund oder die Nase verlassen in die Umgebung abgegeben werden. Gefährlich werden uns hierbei die kleinen Tröpfchen, die nicht aufgrund ihres Gewichts sofort zu Boden sinken, sondern teilweise über Stunden schwebefähig im Raum verbleiben und von anderen Menschen aufgenommen werden können.
Unglücklicherweise sitzen die Coronaviren gerade bei symptomfreien Menschen eher in den oberen Atemwegen und wandern erst im Laufe einer sichtbaren Erkrankung in die unteren Regionen der Lunge. So kann praktisch jeder ein Überträger des Virus sein, ohne es zu wissen.*
Wie können wir alle Beteiligten schützen?
Der sinnvollste Schutz gegen die Übertragung von Corona-Viren ist eine geeignete Mund-Nasen-Bedeckung, um die potentiell infektiösen Wassertröpfchen an ihrem Rundflug zu hindern.
In Deutschland gilt seit dem 27.04. eine Maskenpflicht im ÖPNV und in geschlossenen Räumen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind.
Beim Tätowieren entsteht jedoch ein deutlich längerer und oft näherer Kontakt, als in vielen anderen Bereichen des täglichen Lebens. Aus diesen Gründen reicht eine einfache Mund-Nasen-Bedeckung in Form einer selbstgenähten Stoffmaske oder eines Schals nicht aus.
Wollen wir alle schützen, müssen unsere Kundinnen und Kunden, sowie die Tätowiererinnen und Tätowierer einen medizinischen Mundschutz tragen.*
Welcher Mundschutz ist geeignet?
Laut dem Facharzt für Hygiene- und Umweltmedizin, Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie Professor Wille ist der einfache medizinische Mundschutz ausreichend – vorausgesetzt alle tragen einen. Gemeint ist damit eine OP-Halbmaske nach DIN EN 149.
Eine Maske des Typs FFP2 oder FFP3 schützt dagegen sowohl den Träger, als auch seinen Gegenüber, auch, wenn nur einer von beiden diese trägt.*
Die Deutsche Gesellschaft für Piercing DGP empfiehlt darüber hinaus begründet durch den Arbeitsschutz je nach Gefahrenpotenzial eine FFP2 in der Regel als die bessere Lösung.
Wie verwende ich den Mundschutz richtig?
Eine fachgerechte Anwendung des medizinischen Mundschutzes ist wichtig, um seine optimale Funktion sicherzustellen.
Der Mundschutz muss Mund und Nase vollständig bedecken. Beim Anlegen sollte der Mundschutz möglichst nur an den Bändern angefasst werden, die um die Ohren gelegt werden. Berührt wird der Mundschutz nur, um den über der Nase befindlichen Draht in Form zu biegen, sodass möglichst keine Luftströme zwischen Nase und Wangen entweichen können. So kann ein insgesamt sicheres Arbeiten trotz Corona gewährleistet werden.
Für unterschiedliche Mundschutzarten gelten unterschiedliche Tragezeiten. Diese müssen penibel eingehalten werden, um die einwandfreie Funktion des Mundschutzes sicherzustellen. Auch beim Ablegen wird der Mundschutz wieder nur an den Bändern angefasst und sofort nach dem Abnehmen entsorgt.
Auch wenn eine Tattoositzung weniger Zeit in Anspruch nimmt, als der Mundschutz funktionsfähig ist, muss für jeden Kunden ein neuer Mundschutz verwendet werden. Bei längeren Sitzungen muss der Mundschutz entsprechend seiner Haltbarkeit gewechselt werden.
Die bereits geltenden Corona-Schutzmaßnahmen müssen für sicheres Arbeiten befolgt werden
Sorgfältige Händehygiene ist und bleibt weiterhin wichtig. Jeder Kunde sollte dazu aufgefordert werden, sich unmittelbar nach Betreten des Studios lange und sorgfältig nach den aktuell geltenden Vorgaben der WHO die Hände zu waschen.
Im Arbeitsalltag muss dringend weiterhin die Abstandsregel von mindestens zwei Metern zu anderen Kollegen und Kolleginnen und deren Kundschaft eingehalten werden.
Fühlt die Kundschaft sich körperlich unwohl oder zeigt gar Erkältungssymptome, muss der Termin abgesagt werden.
Es ist zu überlegen, außerdem Kundinnen und Kunden abzulehnen, die unter Heuschnupfen leiden und deswegen häufig niesen. Auch sie können Überträger des Virus sein, das Übertragungsrisiko durch den erhöhten Niesreiz erhöhen und sicheres Arbeiten zu Corona-Zeiten unmöglich machen.
Müssen wir noch weitere Maßnahmen ergreifen?
Obligatorisch für sicheres Arbeiten während Corona ist natürlich auch die Fortführung der alltäglichen und bekannten Hygienemaßnahmen laut Hygieneplan des jeweiligen Tattoostudios in Abstimmung mit den jeweiligen Gesundheitsämtern und dem geltenden Infektionsschutz- und Arbeitsschutzgesetz. Regelmäßige Oberflächendesinfektion und eine generelle Sauberkeit im Studio sollte für jeden Tätowierer ein Muss sein, wie auch schon vor Corona-Zeiten.* Wir empfehlen euch, die Oberflächendesinfektion auf alle Gegenstände des täglichen Gebrauchs im Studio auszuweiten, Klemmbretter, EC-Geräte, Türklinken und alle anderen Gegenstände, die von mehreren Personen bedient werden, sollten nach jeder Benutzung desinfiziert werden.
Ob ihr für eure Theke einen Spuckschutz installieren müsst oder ob eine Möglichkeit zur Händedesinfektion im Eingangsbereich verpflichtend ist, sollte jeder mit seinem zuständigen Gesundheits- und Ordnungsamt abklären und hängt von den jeweiligen örtlichen Begebenheiten ab. Hierfür gibt es keine bundesweit einheitlichen Bestimmungen. In allen Coronaschutzverordnungen der Länder ist jedoch die Installation „geeigneter Schutzmaßnahmen“ festgeschrieben. Studiobetreiber sind somit verpflichtet alle Mitarbeiter*innen, zum Beispiel die angestellten Thekenkräfte und die Kundschaft vor einer Übertragung bestmöglich zu schützen. Gültig ist hierfür immer die jeweilige Hygieneverordnung der Länder. Das zuständige Gesundheitsamt liefert dazu die nötigen Informationen ebenso, wie das Ordnungsamt.
Des Weiteren ist bekannt, dass regelmäßiges Lüften dafür sorgt, dass die Anzahl eventuell in der Luft befindlicher Corona-Viren reduziert wird.* Wir empfehlen nach jeder Sitzung das Tattoostudio ordentlich durchzulüften. Stoßlüften mit komplett geöffnetem Fenster ist hierbei effektiver, als Fenster permanent gekippt zu halten.
Sollte euer Tattoostudio über eine Klimaanlage verfügen, ist es wichtig diese auf dem neusten Stand gewartet zu halten und einen geeigneten Filter zu verwenden. Der Hersteller gibt Auskunft darüber, ob die Klimaanlage geeignet ist, Viren aus der Luft zu filtern.
Auf die Benutzung von Ventilatoren oder anderen luftverwirbelnden Geräten muss dringend verzichtet werden.
Im Moment lässt sich noch nicht sagen, ob es für Tattoostudios nach der Wiedereröffnung einheitliche Zugangsbeschränkungen geben wird, die zum Beispiel die Anzahl der Kunden und Tätowierer im Studio festlegen. Deswegen ist jede/r Studiobetreiber*in gefordert, sich vorab ein Sicherheitskonzept zu erstellen, das er/sie vertreten kann, beziehungsweise welches mit dem Infektionsschutzgesetz seines Landes konform geht. Das Sicherheitskonzept muss Bestandteil des angepassten Hygieneplans werden.
Die Empfehlungen dahingehend sind bundesweit einheitlich darauf ausgelegt, möglichst wenig Menschen auf engem Raum zusammen zu bringen. Kundinnen und Kunden werden also auch weiterhin auf die Begleitperson verzichten müssen.
Auch ein gemeinsames Arbeiten mehrerer Tätowierer in einem Raum ist vorerst nicht empfehlenswert, wenn hierbei die Abstandsregelungen nicht eingehalten werden können. Die Coronaschutzmaßnahmen schreiben hierbei einen Abstand von 2,5 Metern zwischen den Arbeitsplätzen vor oder das Verwenden abwaschbarer Schutzwände.
Kundenansammlungen im Warteraum sind ebenso zu vermeiden, wie das Veranstalten von Aktionstagen, sogenannten „Walk-In-Days“, die erfahrungsgemäß viele Kunden anlocken.
Da sich das Risiko einer Ansteckung eher durch die Anzahl an Kontaktpersonen erhöht, als durch die gemeinsam verbrachte Zeit, ist es empfehlenswert, wenige lange Tattoositzungen abzuhalten, als viele kurze mit wechselnder Kundschaft.*
Für die Friseursalons neu und für Tattoostudios üblich ist das Anlegen und Archivieren von Kundenkontaktdaten. Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Gesundheitsämter im Falle eines positiven Corona-Tests die Daten eines Kunden einfordern können. Bitte beachtet hierfür die geltenden Gesetze im Rahmen der Datenschutzgrundverordnung. Wer sich bisher nicht mit dem Thema Einwilligungserklärung und DSGVO auseinander gesetzt hat, sollte das rasch nachzuholen.
Gewährleistung für unsere Ratschläge
Die Informationen in diesem Artikel wurden von uns sorgfältig unter der Einbeziehung möglichst seriöser Quellen zusammen getragen. Wir haben die nach unserer subjektiven Einschätzung relevantesten Fakten aufgegriffen und für euch anschaulich zusammengefasst. Natürlich können wir weder einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, noch können wir belegen, dass alle genannten Fakten wissenschaftlich wasserfest nachweisbar sind. Jeder von uns weiß, dass sich die Daten- und Faktenlage rund um Corona momentan gefühlt stündlich ändern kann. Auch die Aussagen von Virologen, Wissenschaftlern, Politikern und anderen Experten unterscheiden sich teilweise sehr.
Bitte beachtet, dass die jeweiligen Infektionsschutzgesetze keinen vollständigen Schutz vor Corona bieten können. Wer möglichst risikoarme Arbeitsabläufe in seinem Tattoostudio etablieren möchte, muss, unter Zuhilfenahme seines eigenen Fachwissens und des gesunden Menschenverstandes, die uns zugänglichen Quellen und Behörden in seine Planungen einbeziehen. Auch, wenn es mühselig ist und ein hohes Maß an Mehrarbeit und Organisation erfordert, werden uns die angesprochenen Maßnahmen bei der Eindämmung der Pandemie helfen und uns den Weg zu einem hoffentlich bald einheitlichen Arbeitskonzept für unsere Branche ebnen. Bleibt euch eurer Verantwortungslosigkeit bewusst und vor allen Dingen bleibt gesund!
Die mit * gekennzeichneten Empfehlungen in diesem Artikel kommen vom Facharzt für Hygiene- und Umweltmedizin, Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie Prof. Dr. med. Wille, der grundlegend die geltenden Infektionsschutzmaßnahmen und Hygienevorkehrungen in deutschen Tattoostudios mitentwickelt hat. Prof. Wille ist deutschlandweit bekannt für seine Seminare im Bereich Infektionshygiene für Tattoostudios.
** Der Artikel enthält außerdem Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Piercing in Kombination mit ProTattoo e.V. , denen das Arbeitsschutzgesetz und das Infektionsschutzgesetz zugrunde liegt.
Wer weitere Informationen will, kann sich auch bei seinen Verbänden erkundigen. So haben der DGP gemeinsam mit ProTattoo und dem BVT eine umfangreiche und mit Experten erarbeitete Hygieneempfehlung für Mitglieder der Vereine zur Verfügung gestellt.
Darüber hinaus beraten Unternehmen wie unter Anderem QS-Skin und Arbeitssicherheit Corinna Heinen, die auch zu normalen Zeiten bei der Erstellung von Hygienekonzepten unterstützen.
